Foto © Ufuk Çelik

Gefühle am Ende der Welt | Folge 14: DELUSION

Mit: Theresia Enzensberger & Markus Rautzenberg

Realität ist, was sich widersetzt. Doch im Moment scheint der Widerstand der Realität gegen die eingebildete Grandiosität von Einzelpersonen und Bewegungen besonders schwach zu sein. KI und die Welten, die sie erschafft, sind ein Zeichen für diese Entwicklung; die ungebremste Verbreitung von Verschwörungstheorien und Propaganda ist ein weiteres. Aber dies sind nur die Oberflächen eines tieferen Prozesses der Derealisierung, in dem Delusions von Heilung, Versöhnung, schnellem Erfolg und einer Rückbesinnung auf eine einfachere Welt beginnen, politisch Fuß zu fassen. Vielleicht würden wir die Dinge klarer sehen, wenn wir uns nicht so allein und verloren fühlen würden. DELUSIONS sind wie Inseln, die im öffentlichen und privaten Leben verstreut sind – Orte, wo gegebene Versprechen ungestört bleiben und Fantasien genussvoll ausgesprochen werden können. DELUSIONS sind mehr als nur Träume von einem besseren Leben: Sie ermöglichen es uns, das Unmögliche zu verwirklichen – sei es in Form privater Erfüllung oder autoritärer Fantasien, die sich zu politischen Agenden verfestigen. Wir müssen uns also fragen: Wo liegt die Grenze zwischen dem faschistischen Spiel kognitiver Verzerrung und Fantasien als Zufluchtsort in Situationen, die uns keinen Handlungsspielraum lassen, sowie anderen Formen des grausamen Optimismus? Real ist das, was man nicht einfach wegwünschen kann. Aber was, wenn Wegwünschen das Einzige ist, was einem bleibt? Was tun wir, die Bewohner von Delulu-Land, jetzt angesichts des tosenden Meers des Realen?

Theresia Enzensberger Jahrgang 1986, hat Film und Filmwissenschaft am Bard College in New York studiert und schreibt als freie Autorin Prosa, Essays, Reportagen und Kritiken. 2014 gründete sie das BLOCK Magazin, das mit einem „Lead Award“ als bestes Newcomer-Magazin ausgezeichnet wurde. 2017 erschien ihr Debütroman „Blaupause“ beim Hanser Verlag. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt und mit der Alfred Döblin-Medaille ausgezeichnet. 2022 erschien von ihr der Roman „Auf See“, der für den Deutschen Buchpreis nominiert war, 2024 dann zuletzt der Essayband „Schlafen“ bei Hanser Berlin.

Markus Rautzenberg ist Professor für Philosophie an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Forschungsprojekte zur „Non-visuellen Macht der Bilder“ und dem Verhältnis von KI und Spiel. Schwerpunkte: Medienphilosophie, Bildtheorie, Ästhetik. Publikationen: Bild und Spiel. Medien der Ungewissheit, Paderborn 2020; Framing Uncertainty. Computer Game Epistemologies, Basingstoke 2020; zus. Mit Daniel Martin Feige und Florian Arnold (Hg.), Philosophie des Designs, Bielefeld 2020. Er arbeitet zurzeit an einer Fotophilosophie (Monografie: Von dieser Welt. Fotografie als Gabe, im Erscheinen) und im Zusammenhang des Themas des Abends: Sinn ohne Sinn. Apophänie und Pansemiotismus.

 

 

Oktober
26
So
  • 19.00
    Roter Salon

    Gefühle am Ende der Welt | Folge 14: DELUSION

    Mit: Theresia Enzensberger & Markus Rautzenberg
    Gesprächsreihe von und mit Henrike Kohpeiß, Philipp Wüschner und Gästen
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